Full resolution (TIFF) - On this page / på denna sida - V. Hesekiel. Der Prophet als Seelsorger - 9
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— 173 —
Seitdem das Volk auseinandergesprengt ward, seitdem
der Tempel in Jerusalem seinen Glanz verloren, und
die Gola keinen zusammenhaltenden Mittelpunkt hat,
ist ihm, klarer als den früheren Propheten, die Ein-
sicht in die aufbauende Kraft religiöser Bräuche auf-
gegangen. Er sieht im Kultus ein erhaltendes und för-
derndes Element des Gottesglaubens. Dieser ist ihm eine
schöpferische Macht, die dem religiösen und sittlichen
Leben Nahrung zuführt.
Nun hat er sich von aller öffentlichen Tätigkeit zurück-
gezogen. Er empfängt nicht mehr die Ältesten der Gola,
um ihnen das Wort Gottes zu künden. Er hat im Laufe
der Jahre den Glauben an das Wort verloren. Er hat die
bittere Erfahrung gemacht, daß sein gotterfülltes Wort
außerstande war, die Menschen umzuwandeln. Die Her-
zen von Stein konnte er nicht in Herzen von Fleisch ver-
wandeln. Das Wort mag für den Augenblick Erhebung
schenken, es mag berauschen oder erquicken, doch es er-
neuert nicht die Seele. Es schien ihm immer, als ob die
Leute zu ihm kamen, um die Schönheit seiner Rede zu
genießen, nicht um sich von seinem züchtigenden Worte
wecken zu lassen. Das schöne Wort lockte sie, nicht das
wahre. Er warfürsieein Künstler, nicht ein Überbringer
göttlicher: Botschaft.
„Sie kommen zu dir wie zu einer Volksversammlung,
sie lauschen auf deine Worte, doch sie tun sie nicht ...
Du bist ihnen wie ein Sänger, der Liebeslieder singt,
mit schöner Stimme und klingendem Spiel. Sie hören
deine Worte, aber sie tun sie nicht.“
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