- Project Runeberg -  Axel Hägerström : eine Studie zur schwedischen Philosophie der Gegenwart /
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(1939) [MARC] [MARC] Author: Ernst Cassirer - Tema: Philosophy
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Full resolution (JPEG) - On this page / på denna sida - 3. Die Moralphilosophie

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66 ERNST CASSIRER
»Begründung» absurd. In der Kritik der Urteilskraft hat Kant, wie
bekannt, eine »Antinomie des Geschmacks» aufgestellt, die darin be-
steht, dass auf der einen Seite zugestanden wird, dass sich ȟber den
Geschmack nicht streiten lässt», während auf der anderen Seite über
nichts so viel gestritten wird, als über den Geschmack. Besteht
Hägerströms Theorie zu Recht, so liegt die gleiche »Antino-
mie», in noch viel schärferem und ausgeprägtererem Sinne, in
unseren praktischen Urteilen vor. Wir versuchen immer wieder,
nicht nur vor anderen, sondern auch vor uns selbst unsere Handlungen
zu rechtfertigen und betrachten sie demnach so, als ob sie einer Recht-
fertigung fähig und bedürftig wären. Auch der entschiedenste mora-
lische Skeptiker wird, so lange er einfach in der »natürlichen Ein-
stellung» verharrt, dieser Versuchung nicht entgehen können. Lässt
sich ein Ausweg aus diesem Labyrinth finden — lässt sich das faktische
Verhalten des Bewusstseins mit dem, was prinzipiell zu fordern ist,
irgendwie in Einklang bringen?
Eine erste, freilich nur provisorische Antwort auf diese Frage erhalten
wir, wie mir scheint, wenn wir die Form betrachten, in der moralische
Streitfragen im täglichen Leben aufgeworfen und behandelt zu werden
pflegen. Einer Analyse der »ersten Prinzipien» der Moral pflegt man
hierbei weder in der privaten noch in der öffentlichen Diskussion zu
begegnen. Diese Prinzipien gelten in irgend einer Weise als bekannt
und zugestanden: es handelt sich nur darum, sie in der rechten Weise
anzuwenden, es handelt sich darum, von konkreten Einzelfällen fest-
zustellen, in welcher Weise sie sich unter diese oder jene Grundsätze
subsumieren lassen. Diese Aufgabe der Subsumtion ist jedoch selbst
eine rein theoretische Aufgabe, die den gewöhnlichen Grundsätzen der
Logik untersteht. Alles was man in der Moral unter dem Begriff der
»Kasuistik» zu vereinigen pflegt — und dieser umfasst ja weit mehr als
die bloss-theologische Kasuistik —• dient diesem Ziele. Hier werden
bestimmte Grundsätze als gegeben und anerkannt vorausgesetzt; die
Frage, die man stellt, ist nur die, wie ein besonderer »Gewissensfall»,
ein casus conscientiae gemäss diesen Grundsätzen zu beurteilen ist.
Und diese Form der Beurteilung ist keine Sache des »Gefühls», sondern
eine Sache der »Urteilskraft», die hier nicht anders fungiert als im theore-
tischen Gebiet. Für den Subsumptionsprozess als solchen gelten
dieselben objektiv-fixierbaren Regeln, die wir anwenden, wenn wir ein
empirisch-Gegebenes auf einen allgemeinen Begriff beziehen, wenn wir

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